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Franz Kusch
(Westdeutscher Rundfunk, 24.8.1971, 18:25-18:30Uhr)

Fragwürdige Planung am Beispiel Kölns


Von Umweltschutz wird heute viel gesprochen. Daß man sich damit auch in unserem Land Nordrhein-Westfalen befassen muß, weiß man nicht erst seit den Giftfunden auf öffentlichen Müllkippen. Zusätzlich stellt sich aber die Frage, inwieweit der Umweltschutz in der Planung unserer Städte sinnvoll berücksichtigt wird.

Hier stehen die Kommunalverwaltungen vor einem Dilemma. Jeder weiß, daß die Gewerbesteuer nach wie vor die wichtigste Einnahmequelle der Städte ist. Ohne dieses Geld können die Gemeinden auch in Nordrhein-Westfalen die notwendigen Gemeinschaftseinrichtungen weder bauen noch unterhalten.

Angesichts des abenteuerlich anmutenden Planes der Stadt Köln, im Norden ihres Gebietes rund 7.ooo Menschen von ihren angestammten Wohnplätzen wegholen und fünf Vororte dem Erdboden gleichmachen zu wollen, um Gelände für die zusätzliche Ansiedlung von Industrie zu erhalten, muß man die Frage nach der Abgrenzung der berechtigten Lebensinteressen der betroffenen Bürger gegenüber den Wirtschaftsinteressen einer Stadt stellen.
Bleiben wir bei diesem Beispiel:

Im Norden Kölns ist die sogenannte "Neue Stadt" in der Entwicklung begriffen, um einmal 80.000 Einwohner zu haben. Seit Mitte der 6oer Jahre wurden bis jetzt rund 26.000 Menschen in diese "Neue Stadt" gelockt mit dem Versprechen, in einem idealen Wohngebiet angesiedelt zu werden. Von amtlicher Seite wurde erklärt, daß die "Neue Stadt" nur dann existieren könne, wenn das benachbarte Gebiet - ebenfalls zu Köln gehörend - Gewerbegebiet bleibe und nicht zum Industriegebiet erklärt werde. Außerdem ließ die Stadt in den fünf zum Abbruch bestimmten Vororten und in Köln-Worringen noch bis 1967 Erweiterungsmaßnahmen mit hohen Sozialinvestitionen zu.

Jetzt soll all das umsonst gewesen sein? Wenn die Stadt entgegen allen Warnungen ihre Planung wahrmacht, werden rund 5.000 Menschen, die jetzt schon in starkem Maße unter den Abgasen und dem Lärm der dortigen Industrie zu leiden haben, zusätzlichen Immissions-Belastungen ausgesetzt sein. Und dagegen wehren sich die betroffenen Bürger.

Die Stadtverwaltung argumentiert rein fiskalisch und tut so, als würde den zum Objekt gewordenen Bürgern nichts Nachteiliges geschehen. Tatsächlich sollen jedoch - dies sollte man offen aussprechen - 7.000 Menschen vertrieben werden. Vertrieben deshalb, weil sie freiwillig nicht gehen wollen. Die übrigen 5.000 Menschen sollen nach dem Willen der Kölner Verwaltung samt ihren Wohnungen, Eigenheimen, Gärten und sonstigem Besitz unter Hinnahme einer Wertminderung zum Hinterhof neu anzusiedelnder Industrie werden.

Die Erregung der Bürger entzündete sich zunächst an der unverständlichen Geheimhaltung der Planung. Da wurde in Wahlkämpfen "mehr Demokratie" versprochen, von der Verantwortung und von der Mitsprache der Bürger war öfter die Rede. Jetzt, wo mehr Demokratie und Mitsprache realisiert werden könnte, fühlt sich offenbar die Kölner Verwaltung und die Mehrheit des Rates nicht mehr zuständig. Sogar Alternativpläne, die die Bürgervereine des Kölner Nordens mit sachkundiger Unterstützung entwickelt hatten, wurden amtlicherseits ignoriert. Wohl selten dürfte Bürgerinitiative so schlecht belohnt worden sein, wie in diesem Fall.

Selbst Arbeits- und Sozialminister Figgen bereiste den Kölner Norden und zeigte sich von der Lage und den Argumenten der Bürger beeindruckt. An der ihm unterstehenden Gewerbeaufsicht wird es auch liegen, ob Köln dort Industrie weiter konzentrieren darf. Auch Innenminister Weyer hat ein Wort mitzusprechen, denn sein Regierungspräsident in Köln entscheidet mit. Nachdem Weyer den Mut hatte, sein Veto gegen zu viel Geld für einen "Sportpalast" in Köln einzulegen, sollte er sich auch für die Finanzierung der Folgen dieses Planes, der "218" genannt wird, interessieren. An nur hundert Millionen Mark, die Kölns Oberstadtdirektor Mohnen nannte, dürfte außer ihm niemand glauben; ja, vielleicht glaubt er selbst nicht daran. Realistischer ist die Schätzung von 5oo Millionen Mark.

Es wird sich im übrigen bald herausstellen, welchen Glauben die gewählten Ratsvertreter den Argumenten ihrer Verwaltung entgegenbringen werden. Eines steht fest: Kein Kölner Stadtverordneter wird bei der Abstimmung über den Plan 218 wissen, was dessen Folgen kosten werden. Auch daran wollen die Kölner Bürger ihre Stadtväter erinnern, wenn sie am 2. September zum Rathaus marschieren werden.

Das ganze ist für die Kommunen unseres Landes ein Paradebeispiel dafür, wie Stadtplanung nicht betrieben werden sollte.