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Kölner Stadt-Anzeiger vom 29. April 2020, Autor: Breitkopf / Bild: Rakoczy

Warten auf den Landregen

Der April brachte sonnige Stunden ins Rheinland - schön für Balkonbesitzer, für Landwirte aber eine Katastrophe.

Christian Fuchs ist Landwirt im Kölner Stadtteil Merkenich, genauer gesagt in Rheinkassel. Sein Hof ist seit dem Jahr 1761 in Familienhand. 100 Hektar Ackerland bewirtschaftet der 41-Jährige. Co¬rona machte dem Betrieb schon stark zu schaffen: Keine Erntehelferaus Osteuropa hieß es erst. Sowieso ist der Spargel selbst kaum gefragt. Anders als Kartoffeln ist der Luxus und kein Grundnah¬rungsmittel", sagt Fuchs. Restaurants sind geschlossen, die Spargelnachfrage daher im Eimer. Als wäre das noch nicht genug droht Bauer Fuchs nun auch noch eine Dürre. Seit mehr als fünf Wochen hat es so gut wie nicht geregnet.

Fuchs steht auf seinem Feld, auf dem bald Süßkartoffeln wachsen sollen. Die Erde in seinen Händen staubt wie Holzkohlenasche. Das ist nicht das einzige Problem. „Bei der Trockenheit bildet der Boden Klumpen, um ihn locker zu machen, muss ich normalerweise einmal mit Trecker und Egge drüberfahren, um die Klumpen zu lockern. In diesem April musste ich achtmal fahren", sagt Fuchs. Besonders um das im Frühjahr gesäte Getreide sorgt sich der Landwirt. Am Dienstag hat es zum ersten Mal wieder geregnet. Grund zur Hoffnung? „Dieser Regen hat bislang nur meine Traktoren schmutzig gemacht. Dem Boden hat er nichts genutzt", sagt Fuchs.

Die Branche teilt die Sorgen von Fuchs. Besonders Zuckerrüben, Kartoffeln und Mais haben unter der Trockenheit in März und April 2020 gelitten", sagt Bernhard Rub, Sprecher der Landwirtschaftskammer. Diese jüngste Trockenheit ist aber nicht allein das Problem. Man muss weiter zurückschauen um die Sorgen der Landwirte zu verstehen. Der Sommer 2017 war, viele haben das vergessen, verregnet. Es sollte schlimmer kommen. Der Sommer 2018 ging als der trockenste der vergangenen Jahrzehnte in die Geschichte ein. Die Bauern waren so getroffen, dass es Dürrehilfen der deutschen Regierung gab. „Die Bodenspeicher sozusagen waren leer", sagt Rüb. Doch es wurde nicht besser. Der Sommer 2019 war zwar kein Dürrejahr, das Hilfen der Regierung rechtfertigte. Aber Rekordtemperaturen von 35 Grad Celsius und mehr ließen das Wachstum der Pflanzen weitgehend zum Stillstand kommen. Der Speicher blieb leer. „Zwar gab es etwas mehr Niederschläge, die aber wegen der Sommerhitze schnell verdunsteten", sagt Rüb. Die Hoffnung lag auf einem feuchten Winter. Und der kam tatsächlich. Im Februar regnete es zweieinhalbmal so viel wie sonst. Anfang März konnte die Kammer endlich melden: „Die Wasserspeicher im Boden sind wieder voll."

Doch prompt folgte die nächste Dürrephase. Die Winterregen nutzten den Pflanzen im April wenig. Eigentlich ist genug Wasser im Boden, die Pflanzen kommen aber nicht dran, weil der Oberboden so trocken ist, heißt es vom Rheinischen Landwirtschaftsverband. Rtib teilt die Auffassung von Fuchs bezüglich des jetzt einsetzenden Regens. „Selbst ein Gewitterregen bringt vielleicht 20 Millimeter Niederschlag, aber sechs Millimeter verdunsten pro Tag", sagt Rüb. Was fehlt ist das, was man Landregen nennt, lang anhaltenden Dauerregen. Gibt es also jetzt keinen anhaltenden oder zu schwachen Regen, verdunstet das Wasser dank warmer Winde binnen weniger Tage, ohne die Pflanzenwurzeln überhaupt zu erreichen. Und Starkregen wie 2016 brächte noch größere Gefahren wie Erdrutsche und die Problematik, dass der trockene Boden das Wasser fast nicht aufnimmt.

1,5 Millionen Hektar landwirtschaftliche Flächen hat NRW, eine Million davon sind Äcker. Doch auch das restliche Grünland, also Weiden und Wiesen, bekommen den trockenen April zu spüren. In Zahlen messbar ist das noch nicht, aber es zeichnet sich ab, dass Wiesen viel weniger hohes Gras tragen als in anderen Jahren. Die Sorge vor einem weiteren Dürrejahr geht um. Rüb erinnert sich an 1976. Damals hat es von Mai bis September praktisch nicht geregnet. Die Bundeswehr musste Heu in futterarme Regionen fahren, damit die Tiere nicht ver¬hungerten. "Der Hafer war nur knöchelhoch", sagt Rüb. Doch was die Lage heute dramatischer werden lässt. "Damals war es 30 Grad warm im Sommer, heute messen wir oft 37 Grad und mehr."

Der Rheinische Landwirtschaftsver-band (RLV) ist alarmiert. "Ein drittes Dürrejahr in Folge würde die Bauern sehr schwer belasten. Die Tierhalter müssten erneut Futter zukaufen, die Erträge könnten geringer und der Schädlingsbefall höher ausfallen. Das gefährde die Betriebe - zusätzlich zu den Auswirkungen der Corona-Pandemie - in ihrer Existenz", sagt RLV-Präsident Bernhard Conzen. All dies erfordere mit Blick auf die Diskussion zur Neuausrichtung der Agrarpolitik die Förderung von Versicherungslösungen gegen unvorhersehbare Probleme in den Blick zunehmen. Das Ausmaß der unvorhersehbaren Risiken nehme in einem Maß zu, dass der einzelne Landwirt das kaum noch absichern könne. "Wir fordern eine Düneversicherung. Diese gibt es in vielen Ländern bereits und kann die Landwirte gegen die Ertragsverluste durch Trockenheit absichern", sagt Bauernpräsident Conzen.

Doch für Alarmismus ist es noch zu früh. "Ob uns eine neue Dürre bevorsteht, können wir zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen", sagt Conzen. Und so ist auch die Landwirtschaftskammer noch verhalten optimistisch. "Von einem Dürrejahr sprechen wir erst, wenn es bis Juli nicht regnet", sagt Kammersprecher Bernhard Rüb. Die Hoffnung auf einen regenreichen Mai bleibt bestehen. Eine alte Bauernregel sagt: „Regen im Mai bringt Wohlstand und Heu!"

Bauer Christian Fuchs aus Köln Merkenich will sich auf alte Bauernregeln allein nicht verlassen. „Wir haben in den vergangenen Jahren viel Geld in Bewässerungstechnik investiert", sagt Fuchs. So hat er die Süßkartoffelernte aus Rheinkassel auch ohne Regen gesichert.